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Deutscher Bundestag Drucksache 16/5306
16. Wahlperiode 10.05.2007
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Mai 2007 übermittelt.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kornelia
Möller, Eva Bulling-Schröter, Klaus Ernst, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE
LINKE.
Siedlung Ludwigsfeld (München) – Verkauf bundeseigener Immobilien und
Liegenschaften in Bayern
Vorbemerkung der Fragesteller
Die Presse berichtete wiederholt, dass die Bundesregierung mit Investoren über
den Verkauf der Münchner bundeseigenen Siedlung Ludwigsfeld verhandelt.
Der Münchner Stadtrat beriet das Thema in öffentlicher Sitzung.
1. Aus welchen Gründen will die Bundesregierung die
Siedlung Ludwigsfeld verkaufen, und wann wurde beschlossen, die Siedlung
veräußern zu wollen?
Die Wohnsiedlung Ludwigsfeld, die im Eigentum der zum 1. Januar 2005 errichteten
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bundesanstalt) steht, ist für Bundeszwecke
entbehrlich. Sie ist zudem grob un- wirtschaftlich und somit nach § 1 Abs. 1
BImA-Errichtungsgesetz wirtschaftlich zu veräußern. Das gegenwärtig laufende
Veräußerungsverfahren wurde bereits vor Gründung der Bundesanstalt eingeleitet.
2. Will die Bundesregierung ausschließlich den maximalen
Verkaufserlös erzielen oder knüpft sie den Verkauf der Siedlung an Bedingungen?
Wenn ja, welche Bedingungen sind dies?
Die Bundesanstalt ist gesetzlich verpflichtet, Liegenschaften aus ihrem Bestand
zum vollen Wert (§ 63 BHO) zu veräußern. Der volle Wert ist regelmäßig der
Verkehrswert, wie er sich am Markt bildet und/oder im Rahmen fachgutachterlicher,
auf den Wertermittlungsrichtlinien des Bundes basierender Stellungnahmen
ermittelt wird.
Die der Bundesanstalt für die Wohnsiedlung Ludwigsfeld vorliegenden Kaufgebote
enthalten auch Elemente zu einem über den gesetzlich vorgesehenen Umfang
hinausgehenden Kündigungsschutz (Ausschluss der Eigenbedarfs- und
Verwertungskündigung) sowie zum Schutz vor so genannten Luxusmodernisierungen.
Außerdem wird angeboten, langfristig auf die Umwandlung der Wohnungen in
Eigentumswohnungen zu verzichten.
3. Welche Informationen kann die Bundesregierung zum
aktuellen Stand der Verkaufsverhandlungen geben?
Die Verkaufsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es wird um Verständnis
gebeten, dass wettbewerbs- und datenschutzrechtlich relevante Einzelheiten zum
Verhandlungsstand, insbesondere zur Höhe der einzelnen Gebote, vertraulich zu
behandeln sind. Derartige Informationen dürfen an dritte, am
Veräußerungsverfahren unbeteiligte Personen, nicht herausgegeben werden.
Der Kaufvertrag wird vorbehaltlich der Genehmigung des Bundesministeriums der
Finanzen notariell beurkundet werden. Die Genehmigung wird erst erteilt werden,
wenn die zuständigen parlamentarischen Gremien der Genehmigung des Kaufvertrages
zugestimmt haben.
4. Ist es richtig, dass die Landeshauptstadt München dem
Bund ein Angebot für den Kauf der Siedlung unterbreitet hat, und dass auch
private Investoren bereits Gebote abgegeben haben?
Wenn ja, wie hoch liegen die Gebote der Landeshauptstadt bzw. der privaten
Investoren?
Am Bieterverfahren für die Wohnsiedlung Ludwigsfeld beteiligt haben sich mehrere
Investoren, darunter auch die Wohnungsbaugesellschaft der Landeshauptstadt
München, die Gemeinnützige Wohnstätten und Siedlungsgesellschaft mbH. Im Übrigen
wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
5. Weiß die Bundesregierung, dass in Ludwigsfeld seit
nunmehr 54 Jahren ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes, sog. displaced
persons und Flüchtlinge leben, denen die Siedlung zur zweiten Heimat geworden
ist, und wie bewertet sie aus dieser besonderen historischen Sicht den
beabsichtigten Verkauf?
Wie Verlautbarungen in der Presse zu entnehmen ist, leben in der Wohnsiedlung
Ludwigsfeld (rund 680 Wohneinheiten) derzeit noch etwa 130 Kriegsflüchtlinge
oder Zwangsarbeiter („displaced persons“) der ersten Generation.
Bei den übrigen Bewohnern handelt es sich um Nachfahren dieses Personenkreises
oder um Dritte.
Im Interesse eines möglichst „schonenden“ Veräußerungsverfahren, um das das
Bundesministerium der Finanzen im Hinblick auf die Historie der Wohnsiedlung von
Anfang an bemüht war, verzichtete die Bundesanstalt auf die Durchführung eines
öffentlichen, für jeden Marktteilnehmer zugänglichen Bieter-verfahrens und
beschränkte sich auf die gezielte Ansprache einzelner, für eine sozial
verträgliche Privatisierung geeignet erscheinender Investoren (so genanntes
beschränktes Bieterverfahren).
6. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung über
die Sozialstruktur der Siedlung Ludwigsfeld und die soziale Situation ihrer
Bewohnerinnen und Bewohner?
Die Bundesregierung ist darüber unterrichtet, dass in der Mieterschaft ganz
überwiegend einfache soziale Verhältnisse vorherrschen. Auch aus diesem Grunde
ist sie um eine sozial verträgliche Privatisierung bemüht.
7. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung über
bisherige Investitionen des Bundes zum Bauunterhalt seit Erstellung der
Wohnungen, und in welcher Höhe wurde jeweils investiert?
In den Jahren 1997 bis 2000 wurden für die Wohnsiedlung Ludwigsfeld Ausgaben für
den Bauunterhalt in Höhe von rund 350 000 Euro jährlich und im Zeitraum 2001 bis
2006 in Höhe von insgesamt rund 2,1 Mio. Euro getätigt.
Angaben zu Investitionen aus der Zeit vorher sind elektronisch nicht verfügbar
und konnten daher kurzfristig nicht ermittelt werden.
8. Wie hoch sind die Mieten der bundeseigenen Wohnungen in
Ludwigsfeld?
Die Mieten in der Siedlung Ludwigsfeld betragen im Durchschnitt etwa 2,61
Euro/m2 Wohnfläche/Monat (Nettomiete).
9. Ist der Bundesregierung bewusst, dass viele Bewohner
Ludwigsfelds nicht in der Lage sein werden, ortsübliche Mieten des freien
Wohnungsmarktes in München zu bezahlen, und wie bewertet sie aus dieser Sicht
den beabsichtigten Verkauf?
Der Bundesregierung ist dies bewusst. Die Bundesanstalt ist daher bestrebt, im
Rahmen der Verkaufsverhandlungen die soziale Lage der Mieter angemessen zu
berücksichtigen und durch geeignete Auflagen im Kaufvertrag abzusichern.
10. Wird die Bundesregierung den künftigen Käufer
verpflichten, den Verbleib der bisherigen Mieter in ihren Wohnungen zu
garantieren?
11. Ist die Bundesregierung bereit, Sorge dafür zu tragen,
dass der günstige Wohnraum in Ludwigsfeld erhalten bleibt, und auf welche Weise
will sie das sichern?
Auf die Antworten zu Frage 2 und zu Frage 9 wird verwiesen.
12. Gestattet die Bundesregierung dem Käufer den Abriss
der bisherigen Wohnungen und die Überplanung der Siedlung z. B. mit Gewerbe,
freifinanzierten Wohnungen oder Einfamilienhäusern?
Trägerin der kommunalen Planungshoheit ist die Landeshauptstadt München, die
daher über eventuelle Abrisse und/oder Überplanungen des Areals in eigener
Zuständigkeit zu entscheiden hat. Vertragliche, den kommunalen Planungsträger
vorab bindende Vereinbarungen zur Bauleitplanung im Kaufvertrag wären insoweit
nichtig.
13. Was geschieht bei Verkauf der Siedlung mit dem
tibetisch-buddhistischen Tempel bzw. den Kirchen?
Nach dem generell im deutschen Zivilrecht geltenden Grundsatz „Kauf bricht nicht
Miete“ tritt der neue Eigentümer in die bestehenden Mietverträge ein.
Dazu gehören auch die Mietverträge mit der ukrainisch-orthodoxen Kirchengemeinde
(so genannte Holzkirche), mit der kalmnechisch-tibetisch-buddhistischen
Gemeinschaft für die Räume in der Rubinstraße und mit der apostolischen Exarchie
für die Räume in der Smaragdstraße.
14. Welche Liegenschaften und Immobilien des Bundes und
der Bundeswehr in Bayern stehen zurzeit noch zum Verkauf?
Das Bundesministerium der Verteidigung veröffentlicht im Internet (www.bundeswehr.de)
eine Freigabeliste, in die alle bis zum Jahre 2012 militärisch entbehrlichen
Liegenschaften nach Bundesländern geordnet aufgeführt sind. Alle anderen aktuell
zur Verwertung vorgesehenen Liegenschaften der Bundesanstalt in Bayern sind über
das Internetportal
www.bundesliegenschaften.de
aufrufbar.
15. Für welche Immobilien bzw. Liegenschaften des Bundes
und der Bundeswehr in Bayern gibt es seitens der Bundesregierung
Verkaufsabsichten bzw. -überlegungen?
Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen.
16. Welche Richtlinien der Bundesregierung gelten für den
Verkauf von Liegenschaften und Immobilien des Bundes, der Bundeswehr, der
Deutsche Bahn AG und der Deutsche Telekom?
Die Bundesanstalt veräußert Liegenschaften aus ihrem Bestand nach den im Gesetz
zur Gründung einer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und in der
Bundeshaushaltsordnung verankerten Kriterien der Wirtschaftlichkeit und der
Veräußerung zum vollen Wert. Die Bundeshaushaltsordnung gilt für alle
Bundesressorts, unabhängig davon, ob es sich um Liegenschaften der Bundeswehr
oder anderer Bundesressorts handelt.
Die Deutsche Telekom AG ist seit 1. Januar 1995 eine Aktiengesellschaft und wird
nach den Vorschriften des Aktiengesetzes geführt. Richtlinien der
Bundesregierung für den Verkauf von Immobilien dieses Unternehmens existieren
nicht. Vergleichbares gilt für die Deutsche Bahn AG, die seit 1. Januar 1994
eine Aktiengesellschaft ist; die Bundesregierung gibt daher keine Richtlinien
für den Verkauf von Liegen-schaften der Deutschen Bahn AG vor.
17. Sind die vormals von der US-Armee genutzten
Liegenschaften bzw. Immobilien in Bayern im Besitz des Bundes, und gibt es
Verkaufsverhandlungen bzw. -überlegungen?
Wurden solche Liegenschaften bzw. Immobilien bereits veräußert, und wenn ja,
wann?
Bundes- oder anstaltseigene Liegenschaften, die ehemals von ausländischen
Streitkräften genutzt und aus der militärischen Zweckbindung entlassen wurden,
sind – soweit für andere Bundeszwecke nicht mehr benötigt – entbehrlich und
werden, wenn im Einzelfall keine Rückübertragungs- verpflichtung an einen
Voreigentümer besteht, von der Bundesanstalt veräußert. Grundlage der
Veräußerung sind zivile Nachnutzungskonzepte, die von den jeweils betroffenen
Konversions- gemeinden als zuständige kommunale Planungsträger entwickelt
werden. Die Bundesanstalt ist an einer zügigen Verwertung von
Konversionsliegenschaften nach deren Freigabe aus der militärischen Zweckbindung
interessiert.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen.
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