Interessengemeinschaft Ludwigsfeld e. V. (IGLU) wendet sich an die Berichterstatter im Haushaltsausschuss des Bundestages
Dienstag, 7. August 2007
An die Berichterstatter im Haushaltsausschuss des Bundestages 21.07.07
Herrn Bernhard Brinkmann MdB Herrn J.-K. Fromme MdB Frau Ulrike Flach MdB Frau Anja Hajduk MdB Frau Dr. Gesinde Lötzch MdB
Verkauf der Wohnsiedlung Ludwigsfeld / München
Sehr geehrte Damen und Herren,
ergänzend zum Schreiben von IGLU (per Fax am 17.07.2007) möchten wir heute nochmals einen dringenden Appell an Sie richten. Wir können und wollen nicht glauben, dass in einem demokratischen Staat die Entscheidung eines so wichtigen Gremiums wie des Bundestag- Haushaltsausschusses, lediglich eine „reine Formsache“ sein soll, wie wir von der Patrizia AG gehört haben.
Seit der Eröffnung des Bieterverfahrens bemühen wir uns intensiv, den für den Verkauf Verantwortlichen, die Einzigartigkeit der Siedlung Ludwigsfeld nahe zu bringen. Auf Grund des Verkaufs an die Wohnungsverwertungsgesellschaft Patrizia AG, mussten wir fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass uns dies offensichtlich nicht gelungen ist.
Ludwigsfeld ist in keiner Weise vergleichbar mit anderen Liegenschaften des Bundes.
Die 1952 in Ludwigsfeld auf einem KZ-Gelände angesiedelten Menschen (KZ-Insassen, Zwangsarbeiter, Verschleppte und Vertriebene) sind während des Krieges nicht freiwillig in dieses Land gekommen. Sie wurden gewaltsam ihrer Heimat beraubt. Der Weg zurück oder in ein anderes Land war Ihnen meist aus politischen oder gesundheitlichen Gründen versperrt. Aus dem Schutz der Alliierten, den deutschen Autoritäten überantwortet, mussten diese Menschen aus ca. 22 Nationen in Ludwigsfeld, unter schwierigsten Bedingungen und ohne Hilfestellung von außen, im Zusammenleben Toleranz und gegenseitige Achtung lernen. Daraus entwickelte sich eine Solidargemeinschaft- jetzt bereits über vier Generationen- in der das friedliche Miteinander selbstverständlich ist. Ehemals ein „Ort deutscher Schande“ ist Ludwigsfeld heute ein Ort der Toleranz, des Friedens und des guten sozialen Miteinanders. Ludwigsfeld ist Heimat geworden! Die kontinuierliche Integration vieler weiterer Nationalitäten (heute wichtiger denn je) bestätigt dies.
Trotzdem sind die Folgen dieser erschreckenden, leidvollen Lebensgeschichten auch heute noch in den vermeintlich nicht mehr betroffenen Nachfolgegenerationen deutlich spürbar.
Gerade deshalb darf das Geschehene in Ludwigsfeld nicht verharmlost oder gar vernichtetet werden. Durch die Vergabe an die Patrizia AG, mit entsprechender Vorgaben im Kaufvertrag, droht den Bewohnern aber erneute Vertreibung aus ihren Wohnungen, ihrer Heimat!
Fehler wie in der Vergangenheit dürfen sich an diesen Menschen nicht noch einmal wiederholen.
Der Bund hat für die hier noch lebenden Zeitzeugen und deren Nachkommen, eine besondere Verantwortung zu tragen.
Tiefes Mitempfinden für das Schicksal dieser Menschen und die geschichtliche Verantwortung sollten die wesentlichen Kriterien bei der Verkaufsentscheidung sein.
Der ortsansässige Bauunternehmer Max Kerscher hat dies erkannt und sein Kaufangebot danach ausgerichtet. Er ist auch mit der bundesweit, außergewöhnlichen Mietwohnungssituation in München bestens vertraut (für Menschen mit geringem Einkommen ist bezahlbarer Mietwohnraum kaum vorhanden) und hat deshalb in seinem Angebot ausdrücklich dauerhaft eine Um- wandlung in Wohneigentum ausgeschlossen. Damit hat er auch den Wünschen der überwiegend finanziell schwachen Mieter (640 Unterschriften bei 620 Wohneinheiten) entsprochen.
Es ist völlig unverständlich, warum die BIma mit diesem Bieter nicht weiter verhandelt hat, zumal der Bund dabei finanziell kaum Einbußen hätte hinnehmen müssen. Andererseits sind durch den Verkauf an die Patrizia AG in Zukunft sicher hohe Folgekosten wegen vermehrter sozialer Unterstützungen aus öffentlicher Hand zu erwarten. Im Übrigen ist es offensichtlich durchaus möglich, dass bei einem Verkauf durch die BIma München, neben dem Preis auch das Konzept den Ausschlag gibt . Eigentlich sollte der Staat zum Wohle seiner Bürger entscheiden!
Trotz eindringlicher Appelle von vielen Seiten, die schützenswerte Gemeinschaft Ludwigsfeld durch Verzicht auf Umwandlung zu bewahren, erweckte der Verantwortliche der BIma München bei Gesprächen immer wieder den Eindruck, dass er gerade auf den Aspekt der Umwandlung ganz besonderen Wert legt. Bietern wurde sogar nahegelegt, nicht freiwillig soziale Aufgaben zu Gunsten der Mieter zu übernehmen. Hier fehlt jegliche Menschlichkeit!
Lassen Sie diese Menschen nicht wieder zu Opfern werden. Schützen Sie sie vor erneuter Vertreibung.
Ihr Gremium ist die letzte Instanz, auf das die Bewohner von Ludwigsfeld noch hoffen. Bitte stimmen Sie dem Verkauf an die Patrizia AG nicht zu!
Für Ludwigsfeld sollte ein neues Bieterverfahren auf den Grundlagen des Angebotes von Max Kerscher erwirkt werden.
Wir danken für Ihre Mühe und ihr Verständnis.
IGLU – Bewohnervertretung i.A.
Ansprechpartner: Frau Oresia Poletko, Tel.: 0171/ 8255847, Frau Irene Jacenko Tel. 089/ 150 22 83
Dieses Schreiben mit der Bitte um Unterstützung wurde dem ukrainischen Staatspräsidenten, Herrn Viktor Juschtschenko, anlässlich seines überraschenden Besuches in Ludwigsfeld am 22. 07. 07 überreicht. Herr Juschtschenko besuchte nach der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte „Flossenbürg“, auch das ehem. KZ-Außenlager, Ludwigsfeld ; eine weitere Leidensstation seines Vaters. Herr Juschtschenko kam hier mit ehemaligen ukrainischen Zwangsarbeitern und deren Nachkommen ins Gespräch.
|