StartseiteUnsere KirchenRussisch-Orthodoxe Kirche


Kirche des hl. Erzengels Michael
Achatstr. 14
80995 München

Bevor die heutige Kirche des hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld in den Jahren 1963-1964 gebaut wurde, gab es bereits drei Vorläufer dieser Kirche. Die Kirche des hl. Erzengels Michael und ihre Gemeinde sind ein Spiegelbild des Schicksals der russischen Ostarbeiter und der Flüchtlinge, die vor, während und nach dem II. Weltkrieg nach Deutschland kamen. Die Kirche des hl. Erzengels Michael befand sich zunächst in einer Baracke im Transitlager für Flüchtlinge in Füssen, dann wurde sie in das Flüchtlingslager nach München-Schleißheim verlegt, wo sie bis zum Frühjahr 1953 bestand. Die Schleißheimer Holzkirche und der Glockenturm wurden nach dem Umzug eines Großteils der russischen Lagerinsassen in die neuerbaute Siedlung München-Ludwigsfeld auf einem Privatgrundstück in der Nähe der Siedlung wieder aufgebaut und am 21. November 1953 von Erzbischof Alexander, dem Beichtvater von Alexander Schmorell (Weiße Rose), geweiht.
Ende der 50er Jahre forderte der Grundstückseigentümer sein Grundstück zurück, auf dem sich die russische Kirche befand. Deshalb musste die Gemeinde erneut ihre Kirche aufgeben. Von der Bundesvermögensverwaltung erhielt sie daraufhin das heutige Grundstück an der Achatstraße in der Wohnsiedlung Ludwigsfeld in Erbpacht. Auf dem Gelände, auf dem die Wohnsiedlung errichtet worden war - wie auch auf den angrenzenden Grundstücken mit dem Sportplatz und der heutigen russisch-orthodoxen Kirche des hl. Erzengels Michael -, befand sich bis April 1945 das Außenlager des KZ Dachau - Allach. In diesem Außenlager waren mehrere Tausend Zwangsarbeiter, auch Russen, untergebracht, die im benachbarten BMW-Werk Allach eingesetzt wurden.


Das größte Flüchtlingslager im Münchener Raum befand sich nach dem II. Weltkrieg in Schleißheim, wo 7000 DPs (displaced persons) lebten, darunter zahlreiche Bischöfe und mehr als 30 orthodoxe Geistliche. Im Lager gab es zeitweise drei Kirchen. Die Hauptkirche war die Kirche des hl. Erzengels Michael, die zugleich bis 1952 Kathedralkirche der deutschen Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche war.
Die Gemeinde hatte sich im Oktober 1945 konstituiert und erhielt das Kircheninventar aus der inzwischen geschlossenen Kirche des hl. Erzengels Michael in Füssen, darunter den Ikonostas, dessen Ikonen von der Malerin Valentina Borisenko gemalt worden waren.
In Ludwigsfeld waren mit deutscher und internationaler Hilfe seit 1951 Wohnungen für Flüchtlinge aus der Sowjetunion und Osteuropa errichtet worden, die bis dahin in verschiedenen Lagern gelebt hatten. Aus dem Lager Schleißheim übersiedelten ca. 300 Bewohner in die Wohnsiedlung Ludwigsfeld. So lag es nahe, die Kirche des hl. Erzengels Michael von Schleißheim nach Ludwigsfeld zu überführen. Die Holzkirche und der Glockenturm wurden abgebaut und in Ludwigsfeld von Gemeindemitgliedern wieder aufgebaut.
Die Gemeinde hatte zum Wiederaufbau der Kirche Mittel vom Weltrat der Kirchen, der bayerischen Staatsregierung und von der Diözesanverwaltung der ROK erhalten. An Eigenmitteln wurden 5000 DM aufgebracht.
Neben der Kirche wurde im Jahre 1955 noch eine Baracke (ebenfalls aus dem Lager Schleißheim) errichtet, die künftig als Gemeindesaal und für die Gemeindeschule genutzt wurde. Dieses Gemeindezentrum war für das Gemeindeleben der russischen Gläubigen - auch aus München - von großer Bedeutung, da hier gemeinsame Veranstaltungen abgehalten werden konnten. Hier fanden bis in die 60er Jahre zahlreiche kirchliche und kulturelle Veranstaltungen statt, da die übrigen Gemeinden Münchens über keine Räumlichkeiten für solche Veranstaltungen verfügten. So nahmen z. B. in den 50er Jahren regelmäßig zwischen 120 bis 150 Kinder und 250 Erwachsene am Weihnachtsfest teil, die im Gemeindesaal Platz fanden. Zur „Jolka“ (Weihnachtsfest) kam auch mehrmals Kardinal Döpfner von München und Freising und übergab der Gemeinde persönlich eine Spende, um Weihnachtsgeschenke für die Kinder kaufen zu können. Kardinal Döpfner und Erzbischof Alexander kannten sich bereits aus Bad Kissingen (vor 1945). Sie trafen sich auch später in München regelmäßig „zu einer Tasse Tee“. An der Schule wurde außer Religionsunterricht russische Sprache, Geschichte, Erdkunde und Literatur unterrichtet. Die Schule erhielt von der Stadt München und dem bayerischen Kultusministerium finanzielle Unterstützung. Stadtschulrat Fingerle besuchte die Schule mehrmals und übergab Lehrmaterial. Die Schule wurde aber nicht nur von orthodoxen Kindern besucht, sondern auch von zahlreichen nichtorthodoxen Kindern, deren Eltern aus Russland stammten, so unter anderem von den kalmückischen Kindern, die in Ludwigsfeld lebten.
Die Betreuung der Gemeinde lag bis zum Jahre 1965 bei Erzpriester Professor Vasilij Vinogradov, der bereits seit 1951 Seelsorger der Schleißheimer Michaels-Kirche war. Er wurde dabei von Erzpriester Sergej Matvejev unterstützt.
Zur Geistlichkeit der Kirche gehörten in den 50er Jahre 2 Priester, ein Diakon und ein Lektor. Außerdem gab es einen Chor, dem 15 bis 20 Personen angehörten. Die Gottesdienste wurden regelmäßig von 70 bis 100 Personen besucht, zur Gemeinde gehörten im Jahre 1962 noch 245 Personen. Bei der statistischen Jahresübersicht für die Diözese wurde im Jahr 1957 auf die Frage "wie viele Gottesdienste fanden in der Kirche statt" geantwortet: "Gottesdienste finden regelmäßig statt, es sind so viele, daß man sie nicht gezählt hat!" Im Jahre 1959 wurden z.B. 185 Gottesdienste zelebriert. Auch an den Wochentagen wurden in der Regel 40 bis 50 Besucher gezählt. Dies wird auch damit erklärt, dass zur Gemeinde sehr viele ältere Leute gehörten, die in der Wohnsiedlung lebten.
Seit 1961 verhandelte die Gemeinde mit deutschen Behörden wegen des Ankaufs eines Grundstücks zum Bau einer neuen, einer Steinkirche. Die Siedlung Ludwigsfeld wurde oft als "russisches Dorf" und "russische Kolonie" bezeichnet, obgleich hier auch zahlreiche nichtrussische Flüchtlinge lebten. Nur vor diesem Hintergrund wird es verständlich, dass man sich zum Bau dieser verkehrsmäßig schlecht erreichbaren Kirche entschloss. Immerhin war der Bau der Kirche seit 1901 (Bad Kissingen) der erste Neubau einer russischen Kirche in Bayern und ist dies auch bis heute geblieben.
Die Grundsteinlegung der neuen Kirche fand am 13. Juni 1963 statt, die Weihe vollzog Erzbischof Alexander am 21.11.1965 zum Patronatsfest. Der Bau der Kirche war nur mit materieller Unterstützung deutscher staatlicher Stellen und der katholischen Diözese von München-Freising und der evangelischen Landeskirche von Bayern ermöglicht worden.
Die Kirche wurde wie folgt beschrieben: "Moderne Baustoffe, aber stilistische Anlehnung an nordrussische, einfache Kirchen mit vorgesetztem Glockenstuhl (Klöppel der Glocken werden handbewegt), Befolgung der dogmatisch bestimmten Kirchenbau-Tradition der russischen Orthodoxie (Ausrichtung nach Osten, innere Einteilung und Ausstattung, Kuppel mit russischem Kreuz). Der Altarraum (Ostteil) ist um einige Stufen erhöht und vom Gemeinderaum abgetrennt durch die Ikonostasis mit 3 Pforten... Die Ikonen stammen aus früheren Barackenkirchen in Schleißheim und Ludwigsfeld und wurden von russischen Flüchtlingen um das Kriegsende und in der Nachkriegszeit geschaffen... außerdem einige alte Ikonen".
Vorsteher der Michaels-Kirche ist seit 1964 immer der amtierende Bischof der Diözese, der durch einen Gemeindegeistlichen vertreten wird. Zur Gemeinde gehören heute ca. 120 bis 150 Personen. Den Kern der Gemeinde bilden aber nach wie vor jene Gläubigen, die seit 50 Jahren in Ludwigsfeld leben und ihre Kinder und Enkelkinder. Für sie alle ist ihre kirchliche Heimat Ludwigsfeld geblieben, auch wenn sie seit Jahren im Landkreis Dachau oder in München wohnen. Zum festen Bestandteil der Gemeinde gehören auch Gläubige aus dem übrigen Oberbayern und aus Schwaben.
Der derzeitige Gemeindegeistliche ist Priester Georg von Seide. Für die weltlichen Angelegenheiten der Gemeinde zuständig ist der Gemeinderat, an dessen Spitze der Gemeindeälteste steht.
Den Gottesdienstplan der Gemeinde kann man am Tor zum Kirchengrundstück oder unter www.orthodoxe-kirche.de (Gottesdienste in München-Ludwigsfeld) einsehen.

Die Kirche steht seit Herbst 2006 unter Denkmalschutz.

ImpressumKontaktHaftungsausschluss